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Ingenio

Der östliche Teil der Insel Gran Canaria ist ein unter Touristen weitgehend vernachlässigtes Gebiet, da sich hier zahlreiche Wohngebiete und Industriezentren befinden, die viele Besucher abschrecken. Der Osten der Insel beherbergt jedoch einige geschichtsträchtige Ortschaften und Gegenden, die einen Besuch dieses Teils Gran Canarias allemal lohnen. Ein absolutes Kulturjuwel stellt die Stadt Ingenio dar, deren historischer Stadtkern an die lange Geschichte der Gemeinde als blühendes Handelszentrum erinnert. Viele Besucher landen auf dem nahe Ingenio gelegenen internationalen Flughafen Gando, was der Stadt auch den Beinnamen „Tor zu Gran Canaria“ einbrachte.

Ingenio liegt etwa dreißig Kilometer südlich von der Hauptstadt Las Palmas und neun Kilometer von Telde entfernt, eingebettet zwischen dem Gebirge und der Küste des Atlantischen Ozeans. Die Stadt ist die Heimat von knapp 30 000 Menschen und befindet sich am Hang des Caldera-Kraters auf einer Höhe von etwa 300 Metern. Der Caldera-Krater selbst ragt fast 1200 Meter in die Höhe und bietet einen prachtvollen Ausblick auf die einzigartige Berglandschaft von Gran Canaria. Das Gebiet um die Marktgemeinde Ingenio liegt inmitten eindrucksvoller Schluchten, die zu den bedeutendsten prähistorischen Kulturstätten des gesamten Archipels zählen. Die Stadt ist nicht nur durch ihre günstige geographische Lage, ihre zahlreichen kulturellen Sehenswürdigkeiten, den malerischen Stadtkern und die unmittelbare Nähe zur berühmten Schlucht Barranco de Guayadeque ein beliebtes Reiseziel. Viele kulturinteressierte Touristen auf Gran Canaria besuchen Ingenio auch wegen der bis heute einzigartigen Produktion von Kunsthandwerk und der lokalen Gastronomie.

Der historische Stadtkern Ingenios

Die eindrucksvolle Iglesia de Nuestra Senora de la Candelaria mit ihren beiden hohen Türmen und der noch von der Ferne sichtbaren weißen Kuppel thront majestätisch über der malerischen Altstadt Ingenios und wurde aus den Resten einer alten Kapelle im Jahr 1901 zu einer großen Kirche erweitert. Die Glocken der Türme stammen aus der Produktion von Einwohnern der Insel, die im frühen 19. Jahrhundert nach Kuba auswanderten. Sie wurden im Jahr 1820 in Kuba hergestellt und nach Gran Canaria gesandt. Die im für die Insel typischen Kolonialstil erbaute Kirche beherbergt das berühmte Abbild der Schutzherrin des Archipels, der sogenannten Virgen de la Candelaria. Der Platz, dessen Mittelpunkt die Iglesia de Nuestra Senora de la Candelaria darstellt, ist detailreich mit bunten Fliesenbildern verziert und mit Wasserspielen in modernen Brunnenanlagen eindrucksvoll gestaltet. In der Altstadt Ingenios liegen auch das alte Rathaus und die Casa del Reloj, die sich im Besitz der Wasserverwaltung, der Heredad Acequia Real de Aguatona befindet. In früheren Zeiten verpfändeten die Bauern der Umgebung hier ihre Uhren, um das für die Bestellung ihrer Felder notwendige Wasser erwerben zu können. Entlang der Route der Wassermühlen, die veranschaulichen, wie die Wasserversorgung der Stadt in der Vergangenheit funktionierte, können Besucher den gesamten historischen Stadtkern entdecken. Im öffentlichen Parque Néstor kann man sich vom anstrengenden Rundgang der Altstadt inmitten bunt blühender Sträucher und prachtvoller Palmen in der Sonne etwas ausruhen.

Die kunstvolle Lochstickerei aus Ingenio

Die Marktstadt Ingenio ist nicht nur auf Gran Canaria, sondern auch im Ausland für ihre einzigartige und aufwendig hergestellte Stickerei und anderes Kunsthandwerk berühmt. Viele Besucher der Insel planen schon deshalb einen Besuch der Stadt Ingenio in ihr Urlaubsprogramm ein, um kostbare Kunstwerke oder kleine Mitbringsel zu erwerben. In Ingenio, das heute als Zentrum der Kunststickerei Gran Canarias gilt, befinden sich das im Stadtbezirk Las Meijas gelegene örtliche Museum sowie die angeschlossene Gemeindewerkstatt und Schule für Kunsthandwerk, wo Besucher die Künstler bei ihrer Arbeit beobachten und die Stickereien und andere Objekte im angeschlossenen Museumsshop kaufen können. Wer die Kunst der Lochstickerei erlernen möchte, kann an einem Kurs teilnehmen, den die Stickerinnen des Museums in regelmäßigen Abständen veranstalten. Durch die Touristenströme, die das bei freiem Eintritt zugängliche Museo des Piedras y Artesiana jährlich besuchen, wird im Museumsshop und vielen anderen Läden in Ingenio neben authentischer Handstickerei heutzutage leider auch viel billige Ware angeboten. Wer auf der Suche nach traditionellem Kunsthandwerk ist, muss jedoch nur auf das kostbare Material und den Preis achten. An einer großen Tischdecke aus Lochstickerei arbeiten mehrere Frauen monatelang, und dieser intensive Arbeitsaufwand muss entsprechend entlohnt werden. Die Stickerinnen können ihre traditionelle Arbeit jedoch heute durch den Verkauf ihrer Kunstwerke kaum mehr zur Gänze finanzieren und sind daher auf staatliche Subventionen angewiesen.
Eine eigene Abteilung des Musei des Piedras y Artesiana widmet sich der Ausstellung zahlreicher Objekte aus Stein, die allerdings strukturlos angeordnet sind und die Räumlichkeiten etwas überladen wirken lassen. Beeindruckend sind jedoch die Sammlungen von unterschiedlichen Mineralien und der für die Region typischen Flechtarbeiten, Töpferwaren und landwirtschaftlichen Werkzeuge und Geräte. Das Museum ist schon deshalb sehenswert, da es etwa einen Kilometer nördlich des Stadtzentrums in einem malerischen alten Anwesen mit einer schönen Gartenanlage muntergebracht ist.

Ingenio

Ingenio ©iStockphoto/JuanVte

Früher Wohlstand durch die Zuckerproduktion

Nach der Eroberung Gran Canarias durch die Spanier in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts avancierte Ingenio innerhalb kürzester Zeit zu einem wichtigen Zentrum des wirtschaftlichen und kulturellen Lebens auf der Insel. Die Region um die Marktgemeinde wurde im 16. Jahrhundert zum wichtigsten Gebiet des Zuckerrohranbaus, wodurch Ingenio als florierende Handelsstadt der Zuckerproduktion nicht nur auf Gran Canaria selbst, sondern auch überregional eine überaus wichtige Bedeutung zukam. Auch der Name der Gemeinde ist auf ihre Rolle in der Zuckerproduktion zurückzuführen, denn das spanische Wort „Ingenio“ bezeichnete die größte Zuckerfabrik der Insel und die Zuckermühlen, die im Stadtgebiet und im Umland in großen Zahlen erbaut wurden. Durch seine wirtschaftliche Bedeutung wurde der Ort zur Heimat vieler wohlhabender Unternehmer, und der frühe Reichtum der Stadt ist noch heute an der detailreichen Verzierung der alten Gebäude und der prachtvollen Altstadt Ingenios, die zu einem überwiegenden Teil unter Denkmalschutz steht, erkennbar. An die blühende Vergangenheit des Zuckerzentrums Ingenio, dem erst im 19. Jahrhundert das Stadtrecht anerkannt wurde, erinnert heute eine alte Maschine zum Pressen der Zuckerrohre, die am Stadtrand auf der östlich gelegenen Seite besichtigt werden kann.

Heutzutage wird das Umland von Ingenio hauptsächlich von Großbetrieben landwirtschaftlich genutzt, die in den riesigen Gewächshäusern vorrangig Tomaten und Avocados kultivieren. Diese teilweise aus Plastik errichteten Tunnel verleihen der unmittelbaren Umgebung Ingenios ein unästhetisches Erscheinungsbild, allerdings durchfährt man dieses Gebiet in wenigen Minuten mit dem Auto und erreicht anschließend die eindrucksvolle Naturlandschaft mit den äußerst sehenswerten Schluchten und Höhlen. Der Playa del Burrero, der etwa einen halben Kilometer lange Kieselstrand an der Küste von Ingenio eignet sich perfekt für entspannte Badetage und ist durch das seichte Meer und die windexponierte Lage vor allem für Freizeitaktivitäten wie Windsurfen und Segeln der ideale Ort.

Barranco de Guayadeque – Ein Eldorado für Hobbyarchäologen

Nicht nur ein Ausflug ans unberührte Meer im Umland von Ingenio bietet Urlaubern ein entspannendes Kontrastprogramm zu den hektischen Städten im Süden der Insel, auch im nahegelegenen Landesinneren wartet ein Naturjuwel auf seine Entdeckung. Die berühmte Schlucht Barranqo de Guayadeque liegt nur wenige Kilometer südlich von Ingenio entfernt auf der Strecke nach Agüimes und bietet im Rahmen eines Tagesausflugs ein kulturelles Highlight jedes Urlaubs auf Gran Canaria. Als eines der wichtigsten Kultur- und Naturdenkmäler der Insel beherbergt die Schlucht, deren Name aus der altkanarischen Sprache stammt und übersetzt etwa „Ort des fließenden Wassers“ bedeutet, seit Jahrtausenden eine Vielzahl von Höhlen, die schon den Ureinwohnern der Insel als Wohngebäude und Grabstätten dienten. Noch heute leben viele Menschen hier in Wohnungen, die aus den in die Felsen gehauenen Höhlen entstanden und nach Bedarf ständig erweitert wurden. Am Fuße der Barranco de Guayadeque befindet sich das Höhlenmuseum Centro de Interpretation, wo den Besuchern auf übersichtliche Weise die Entwicklung der Wohnstätten von der prähispanischen Besiedelung bis in die heutige Zeit veranschaulicht wird. Hier erhält man umfassende Informationen über den Lebensalltag und die Gesellschaft der kanarischen Ureinwohner sowie deren Bestattungsriten. Durch die zahlreichen Funde von Mumien und Artefakten aus prähispanischen Epochen ist die Barranco de Guayadeque vor allem für archäologisch interessierte Besucher ein wahres Eldorado. Im Höhlenmuseum ist allerdings nur eine einzige der mumifizierten Leichen ausgestellt. Wer die umfassende Sammlung der Mumien, Grabbeigaben und anderer Objekte besichtigen möchte, muss das Museo Canario in der Hauptstadt Las Palmas besuchen.

Nach einer kurzen Autofahrt in die Höhen der Schlucht gelangt man in die Höhlensiedlung Bermeja Cuevas, wo neben einer in den Fels gehauenen Kirche auch ein Höhlenrestaurant die Besucher erwartet. Auch wenn die Ausstattung und das Mobiliar dieser Gaststätte etwas sporadisch anmuten, ist das Restaurant vor allem an Wochenenden unter den Einwohnern Gran Canarias ein beliebter Ort, wenn in der Höhle festliche Grillabende veranstaltet werden.
Nach einem Besuch der Höhlenkirche führt der Weg weiter in den Ort, wo man an den idyllisch anmutenden und liebevoll verzierten Höhlenwohnungen vorbeischlendert. Da die Einwohner von Bermeja Cuevas die Besucherströme gewöhnt sind, lassen sie sich von interessierten Blicken durch ihre Fenster nicht weiter stören. Einige der Bewohner des Dorfes verkaufen in ihren Wohnungen neben anderen Waren den in dieser Gegend hergestellten Honig, der sich durch einen zarten Karamellgeschmack auszeichnet. Nicht nur die bewohnten Höhlen und die besondere Atmosphäre des Dorfes sind den Besuch der Barranco de Guayadeque wert, auch die Naturlandschaft begeistert durch karstige Steinwände und die hunderte Meter hohen Felszinnen. Besonders beeindruckend sind die Ausblicke in den Wintermonaten Jänner und Februar, wenn die blühenden Bäume in den zahlreichen, auf Terrassen angelegten Mandelbaumhainen die ganze Gegend in ein zartrosa Blütenmeer verwandeln.

Einzigartige lokale Küche

Auch in kulinarischem Hinblick ist Ingenio nicht grundlos ein unter Individualtouristen beliebter Anziehungspunkt. Gerichte aus zartem Ziegenfleisch mit in der Schale gegarten Kartoffeln und der typischen Mojo-Chilisauce werden in den zahlreichen authentischen Restaurants in Ingenio ebenso angeboten wie gegrilltes Schweinefleisch und die köstlichen lokalen Käsesorten. Berühmt ist vor allem das Pan de Puno, eine lokale Brotspezialität nach uraltem Rezept, die von den Bewohnern Ingenios gerne zur Sopa de Virgen gereicht wird. Diese Suppe kochen die Einheimischen hauptsächlich an Sonn- und Feiertagen auf Basis von Rindfleisch mit Kichererbsen, Eiern und Zimt. Das in der Region beliebte Pan de Puno kann in der Panadería de Amaro dy Lina in Ingenio auch gekauft werden, wo es in einem traditionellen, über zweihundert Jahre alten Ofen täglich frisch gebacken wird.

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